Zwischen Kreuzberg und KW
Text-Teil 7 - (vb-bge7.htm)
vb - Verkehrsgeschichtliche Blätter 4/91
 
 
 

8.4.  Schöneweide

Die ab 15. Mai 1876 als Bude 7 Johannisthal Neuer Krug bezeichnete Station Neuer Krug stellte ab 1880 mit dem neuen Namen Johannisthal Niederschönweide erstmals die Beziehung zu dem aufstrebenden Ort Niederschöneweide her. Zur Zeit der bereits erwähnten "Omnibuszüge" bestand vom 15. Oktober 1880 bis 1. Juli 1887 etwa 1 km nördlich an der heutigen Rixdorfer Straße mit Namen Kanne ein weiterer Haltepunkt. Dieser Haltepunkt und die mehrere Kilometer entfernte gleichnamige Blockstelle weisen auf den diese Gegend durchziehenden Kanne-Graben sowie auf das noch heute existierende Forsthaus Kanne hin. Nach Schließung des Haltepunktes Kanne konzentrierte sich der Personenverkehr fortan in Johannisthal Niederschönweide [9].  Im Jahre 1886 wurde in Richtung Adlershof mit dem Bau eines Verschiebebahnhofs begonnen. Am 1. Oktober 1888 war dieser in seinen wesentlichen Teilen fertiggestellt. Dagegen waren zu dieser Zeit die Anlagen für den Ortsgüterverkehr noch recht  provisorisch; als erste Güterthalle diente ein umgebauter Wagenkasten [4].

Auf dem ebenerdig angelegten Personenbahnhof wurde 1888/89 ein Fußgängertunnel zum Bahnsteig in Betrieb genommen. Dabei kam vermutlich auch das heute noch bestehende Empfangsgebäude zur Ausführung. Südlich davon verstecken sich noch heute Reste alter Fachwerkgebäude, die wahrscheinlich der ursprünglichen Bahnhofsanlage zuzuordnen sind. Sie dienten bis in die letzte Zeit als Kulturraum.

1902 begann dann der umfassende Umbau des gesamten Bahnhofs. In die bis zum Jahre 1906 andauernden Bauarbeiten, die u.a. zur Hochlegung der Bahnsteige führten, fällt der elektriache Versuchsbetrieb auf der Zweigstrecke nach Spindlersfeld [4], [45]. Dieser erfolgreiche Versuchsbetrieb mußte am 1. März 1906 eingestellt werden, um den im Niveau befindlichen alten Bahnsteig, der noch für die Abfertigung der elektrischen Züge benutzt wurde, beseitigen zu können. Erst dadurch war die Verbindung vom Empfangsgebäude zum Zugangstunnel der Hochbahnsteige und deren Inbetriebnahme am 1. Mai 1906 möglich. Nach der Anbindung der Spindlersfelder Gleise an die hochgelegten Bahnanlagen kam es zu keiner Neubelebung dieses elektrischen Betriebes [12].  Bis zum 1. Weltkrieg erlebte die Station zu den Veranstaltungen des nahegelegenen Flugplatzes Johannisthal einen großen Ansturm.

Das schon 1907 erweiterte Epfangsgebäude wurde 1973 modernisiert, der luftige Zugangsweg zu den Bahnsteigen eingehaust [4], [6].  Im gleichen Jahr verlängerte man den Fernbahnsteig um ca. 100 m in nordwestlicher  Richtung [38].  Mit dieser Baumaßnahme avancierte Schöneweide endgültig zum viertwichtigsten Fernbahnhof der "Hauptstadt" und stellt gleichzeitig bis heute eine empfindliche betriebliche Engstelle dar, weil die Bahnsteiggleise durchgehende Hauptgleise sind.

Die am 18. März 1985 begonnene Rekonstruktion des Personenbahnhofs zeigte bisher ein befriedigendes Ergebnis [38]. So wurden die Aufbauten der S-Bahnsteige in historischer Form wiederhergestellt. Dagegen behandelte man den Fernbahnsteig stiefmütterlich, Dessen Aufsichtsgebäude sieht immer noch behelfsmäßig aus. Bei der Nachkriegs-Dachkonstruktion beließ man es vorerst bei den zwei Stilarten in Holz- und Gußeisenstützen.

Wie die Tabelle 6 zeigt, wechselte die Bezeichnung des Bahnhofs ungewöhnlich oft.

Tabelle 6  Bezeichnungen für den Bahnhof Berlin-Schöneweide bis heute [46]
 

Datum Bezeichnung
06.1868 Neuer Krug
15.05.1876 Bude 7 Johannisthal Neuer Krug
1880 Johannisthal Niederschönweide
07.07.1893 Johannisthal Niederschöneweide
01.10.1895 Niederschöneweide-Johannisthal
23.12.1908 Nieder-Schöneweide - Johannisthal
01.05.1911 Niederschöneweide (Johannisthal)
06.10.1929 Berlin-Schöneweide
 

Mit der Konzentration von Personenbahnhof, Rangierbahnhof, Ortsgüteranlage und RAW stellt Schöneweide noch heute den wichtigsten Eisenbahnstandort der BGE im Berliner Raum dar.
 

 


8.5. Betriebsbahnhof Schöneweide

Mit der Inbetriebnahme des RAW Schöneweide waren etwa 100 Arbeiter vorerst damit beschäftigt, Wagen der Bauarten 1922 und 1925 aufzuarbeiten [16], [47]. Schon ihnen kam zugute, daß man in Erwartung einer weit höheren Zahl von Beschäftigten an den Vorortgleisen in km 8,5 der BGE einen Werkhaltepunkt in einfachster Ausführung erbaut hatte.  Hier hielten ab 17. November 1927 zunächst zum Schichtbeginn und -ende einzelne Züge [48].

Die Dachkonstruktion war mit zweireihigen Holzstützen ausgeführt, wie sie um diese Zeit z.B. auch in Schulzendorf, Hohen Neuendorf und Birkenwerder entstanden. Der Zu- und Abgang war mit einer Holzbrücke zum südwestlichen Gehsteig des Adlergestells möglich. Zusätzlich wurde von dieser Bücke ein Übergang in das Gelände des Verschiebebahnhofs und des Bahnbetriebswerkes geschaffen. Mit der Verbreiterung des Adlergestells infolge der Zunahme des Kraftverkehrs Mitte der 50er Jahre verlegte man über eine Brückenverlängerung den Abgang zum RAW auf die nordöstliche Seite des Adlergestells. Ca. 20 Jahre später wurde auf dem Bahnsteig ein festes Gebäude für die Aufsicht geschaffen.

Mit dem Betriebsbahnhof Schöneweide entstand an der BGE der erste "reine" S-Bahnhof ohne Bahnsteig an den Ferngleisen. Für den öffentlichen Verkehr ist der Bahnhof übrigens erst seit Sommer 1945 zugelassen. Im Zuge der Fernbahnelektrifizierung wurde
1983/84 ein neues Brückenbauwerk geschaffen. Dabei verlegte man den Zu- und Abgang in die Mitte des
Bahnsteigs.
 
 

8. 6.  Adlershof

Am 15. Juni 1874 wurde bei der Bude 10 der BGE der Haltepunkt Adlershof eröffnet, der aber erst mit dem 15. Mai 1876 in das Kursbuch aufgenommen wurde.

Insbesondere für den Halt der bereits erwähnten "Omnibuszüge" kam nur 900 m weiter südlich am 15. Oktober 1883 ein Haltepunkt Glieniccke hinzu. Beide Stationen dürften in ihrer Ursprungsausführung recht bescheiden gewesen sein.

Ab 1892 erweiterte man den Haltepunkt Adlershof zu einem Bahnhof mit Seitenbahnsteig und einem stattlichen vorgelagerten Empfangsgebäude am Adlergestell. Die neue Bahnhofsanlage nahm am 8. Januar 1894 den Betrieb auf. Mit dem Wegfall der "Omnibuszüge"  war der Haltepunkt  Glienicke  überflüssig  geworden. Er wurde deshalb am 14. Juli 1894 geschlossen. Seine Aufgaben übernahm der Bahnhof Adlershof. Als Hinweis auf das neue Einzugsgebiet trug er seitdem den Namen Adlershof-Glienicke [4], [6], [9].

Im Zusammenhang mit dem Bau des eigenen Vorortgleispaares auf der BGE legte man ab Herbst 1902 die Gleise in Adlershof hoch und ersetzte 1905 den Seitenbahnsteig durch einen Inselbahnsteig mit niveaufreien Zugängen vom bisherigen Empfangsgebäude und von der Rudower Chaussee. Im Niveau verblieben die Gütergleis- und Abfertigungsanlagen. Der Güterverkehr in Adlershof war am 1. Dezember 1890 aufgenommen worden [49]. Im Zuge der Verlängerung des Vorortgleispaares von Adlershof nach Grünau erhielt der Bahnhof Adlershof 1909 einen zweiten gleichartigen Hochbahnsteig, der nur dem Vorortverkehr nach Grünau diente. Der Bahnhofsname wechselte am 1. Oktober 1901 in Adlershof-Alt=Glienicke,  am 1. Mai 1911 nochmals in Adlershof-Alt Glienicke, bis er am 1. Januar 1935 den noch heute gültigen Namen Berlin-Adlershof erhielt [9], [50], [38].

Mit der Einstellung des Dampfvorortverkehrs nach der Verlängerung der S-Bahn bis KW blieb der Bahnsteig B in Adlershof bis auf den Halt der Triebwagenzüge von Schöneweide nach Groß Ziethen in den Jahren 1952 - 1954 fortan funktionslos. So konnte
er am 29. September 1957 geschlossen werden. Ab 1. August 1962 wurde in Adlershof auch die Abfertigung von Reisegepäck eingestellt [13 (1957, Nr. 19)], [31 (Nr. 571/33/57, Nr. 290/30/62)].

Im Jahre 1961 begann ein grundlegender Umbau des Bahnhofs mit der Verlängerung des Zugangstunnels vom Empfangsgebäude zur Südwestseite der Bahn. Der großzügige Abschluß mit Passimetern in einem Glaspavillon bewährte sich nicht und wurde später beseitigt. Größere Dichtungsschäden ließen dort schon zum wiederholten Male die Auswechslung der Wandfliesen notwendig werden.

Etwa 1962 erfolgten die Verlagerung der Ortsgüteranlagen ebenfalls auf die Südwestseite der Bahn und dort der Ausbau zu einem Kohlengroßumschlagplatz.   Dieser konnte im Frühjahr 1964 die Arbeit aufnehmen. Kurz darauf, zum Pfingsttreffen der FDJ 1964, hielten dort auch Personenzüge [6].

Die nächste Bauetappe wer die Anbindung des Bahnhofs an den BAR in nördlicher Richtung. Dazu waren bis zum Herbst 1965 Dammverbreiterungen, Erweiterungen  der Überführungen über die  Rudower Chaussee und den Glienicker Weg sowie jenseits davon erhebliche Trassenkorrekturen notwendig. Veränderte Fahrtwege erforderten den Abbruch des Bahnsteigs B. Das Empfangsgebäude wurde zugunsten der Verbreiterung des Adlergestells abgetragen und der Zugangstunnel zum Adlergestell verschlossen.

Für die Übernahme der Funktion des Empfangsgebäudes wurde die Schalterhalle an der Rudower Chaussee modernisiert. Man installierte dort Fahrkartenschalter, die Bahnsteigtreppe wurde um 6 m verbreitert. Dieser faktische Neubau nahm am 7. Oktober 1969 den Betrieb auf und stellt seitdem den Haupteingang des Bahnhofs dar.

Von dem um die Jahrhundertwende errichteten Bahnhofsensemble haben sich am Adlergestell diesseits der Rudower Chaussee bis heute einige Eisenbahnerwohnhäuser erhalten, die einen reizvollen Kontrast zu den Neubauten darstellen.
 

 
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Text-Teil 8
Datei: vb-bge7.htm
 vb Verkehrsgeschichtliche Blätter 3/91, Autor: Dr. Michael Braun, Berlin