Zwischen Kreuzberg und KW
Text-Teil 6 - (vb-bge6.htm)
vb - Verkehrsgeschichtliche Blätter 4/91
 
 

8. Die Bahnhöfe der BGE

8.1. Der Görlitzer Bahnhof

Bedingt durch die zunächst provisorische Fertigstellung der BGE, erfolgte die Abfahrt der ersten Züge in Berlin von behelfsmäßigen Anlagen. Ein repräsentiver Endbahnhof der BGE in Berlin wurde dann in den Jahren 1866 - 68 von August Orth erbaut. Auf einer Fläche von rund  6 500 m²  entstand eine knapp 150 m lange Bahnsteighalle mit Kopfteil und Flügelanbauten. Unter der Dachkonstruktion aus Schmiedeeisen und Wellblech fanden zuerst je zwei Mittel und Seitenbahnsteige Platz. Anläßlich eines Umbaus 1892 - 94 entfiel ein Mittelbahnsteig, die verbleibenden drei Bahnsteige wurden verlgägert. Im Verlaufe der Jahre erfolgten mehrfach Erweiterungen der Gleisanlagen [4].  Außer den Personenzügen der BGE fuhren vom Görlitzer Bahnhof seit dem 1. Januar 1872 fiir 2 1/2 Jahre Pendelzüge auf  dem Inneren Ringbahnanschluß zur Station "Görlitzer Anschluß" an der Einmündung in die Ringbahn, von wo aus mit Umsteigen die anderen Berliner Fernbahnhöfe zu erreichen waren [5].

Die Gegend um den Görlitzer Bahnhof blieb stets verkehrsarm. Schon 1886, ein Jahr nach Errichtung des Äußeren Ringbahnanschlusses  hatte man deshalb konzequenterweise den gesamten Fernverkehr der BGE über den Äußeren Ringbahnanschluß auf die Stadtbahn verlegt und beließ nur die Vorortzüge nach KW im Görlitzer Bahnhof.  Hätte nicht 1896 wegen Überlastung der Stadtbahn die Rückverlegung der Fernzüge durchgeführt werden müssen, vielleicht wäre der Görlitzer Bahnhof schon damals zum größten (Nur-)Vorortbahnhof Berlins geworden [3].  Seit dem 1. Mai 1911 lautete die Bahnhofsbezeichnung statt Berlin Görlitzer Bhf Berlin Görlitzer Bf  [42].

Nach Kriegsende 1945 mußten erhebliche Zerstörungen an den Bahnhofsanlagen, u.a. am Bahnbetriebswerk, registriert werden.  Das Hauptgleis 1 war demontiert [13 (1947, Nr. 33)]. Am 25. September 1946 war dann mit einer erneuten Verlegung aller Fernzüge der BGE zur Stadtbahn das Fernbahndasein des Görlitzer Bahnhofs  endgültig beendet  [3].

Der Betrieb auf dem Bahnhof wurde nun offenbar zunehmend unrentabel, da die weitläufigen Anlagen nur noch für den Verkehr weniger Vorortzüge aufrecht erhalten werden mußten. Mit der Einrichtung der elektrischen S-Bahn von Grünau nech KW am 30. April 1951 wurde der Görlitzer Personenbahnhof geschlossen. Er verliel zusehends. Die zugehörigen Stellwerke Vrf und Vtw für den Zugverkehr mit der Ringbahn übertrug man 1956 dem Bahnhof Baumschulenweg; die amtliche Autlösung der Dienststelle Görlitzer Bahnhof erfolgte am 1. Dezember 1958 [13 (1956, Nr. 13; 1958, Nr, 55)].  Die Reste des Empfangsgebäudes beseitigte man zwischen 1958 und 1962.

In Betrieb blieb weiterhin der Güterbahnhof, auch nach dem Mauerbau. Möglich wurde dies, indem man das Gleis des Inneren Ringbahnanschlusses beiderseitig gründlich einzäunte und die Übergabezüge, die zumeist mit Baustoffen beladen waren, unter Bewachung durch zwei Tore in der Mauer an der Kiefholzstraße und am Landwehrkanal schleuste. Nachdem am 30. Mai 1976 die Bedienung der schon im Grenzgebiet gelegenen Anschlüsse an der Elsenstraße eingestellt worden war, folgte am 30. Juni 1985 die
endgültige Aufgabe des Görlitzer Bahnhofs und damit des "Transitverkehrs" über den Inneren Ringbahnanschluß [3]. Innerhalb der Ringbahn gab es nun keine in Betrieb befindlichen Anlagen der BGE mehr.

Das "Ade" für den Görlitzer Bahnhof war noch nicht ganz verklungen, da erfolgte schon die völlige Beräumung des noch genutzten Bahnhofsareals und die Umwandlung in eine Freizeitanlage mit Hallenbad und Erholungspark. Letzte Pläne sprechen von der Errichtung einer Wanderweges auf der stillgelegten BGE-Trasse von der Ringbahn in Treptow bis zum Spreewaldplatz in Kreuzberg [34 (6.11.90)]. Die desolaten Brückenüberbauten dürften den Fußgängerverkehr noch allemal verkraften. Die Briicke über den Landwehrkanal ist bereits fiir den Fußgängerverkehr hergerichtet. Auch der übrige Teil der Trasse wird bereits von Spaziergängern, über den Schotter stolpernd, genutzt.
 

 

8.2.  Plänterwald

Für die Anlage einer Zwischenstation auf dem relativ langen Streckenabschnitt vom Görlitzer Bahnhof bis Baumschulenweg bot sich neben der Kreuzung mit der Ringbahn auch die im Ergebnis des viergleisigen Ausbaus der BGE entstandene Bahndammverbreiterung in Höhe des Dammwegs an. Die Vorortgleise waren dort wegen des geplanten Überschneidungsbauwerks mit dem Vorortgleispaar vom Görlitzer Bahnhof bereits auf etwa Bahnsteigbreite gespreizt.

Bahnhofsprojekte an beiden Stellen - in den Planungen der RBauD Berlin von 1937 - 1941 als Bahnhof Kiefholzstraße und Bahnhof Dammweg enthalten - wurden nach Ende des 2. Weltkriegs wieder aufgegriffen. Die Errichtung des ersteren - nunmehr als Südkreuz bezeichnet [24] - verfolgte man wegen der sich ab Ende der 40'er Jahre abzeichnenden Schließung des Görlitzer Bahnhofs nicht weiter. Das Projekt Dammweg dagegen besaß größere Realisierungschancen, scheiterte jedoch zunächst an den fehlenden Finanzen. Ab etwa 1950 flossen bekanntlich enorme Mittel in den Bau des Berliner Außenrings, welcher äußerste Priorität für die Deutsche Reichsbahn besaß. So mutet es heute erstaunlich an, daß in jenen Jahren überhaupt noch andere Bauvorhaben realisiert werden konnten.

Der Durchbruch für den Bau eines Bahnhofs an der späteren Erich-Zodemann-Straße kam mit dem Baubeginn der Wohnsiedlung Plänterwald. Der Kostenanschlag dafür hatte sich in fünf Jahren Diskussion um das Für und Wider von zunächst 450 000 Mark auf zuletzt 2 Mio Mark erhöht. Um Mittel einzusparen, wurden Teilleistungen im damaligen "Nationalen Aufbauwerk" (d.h. in unbezahlter Arbeit) erbracht. Brauchbare alte Teile wie Bahnsteigkanten und Dachstützen von stillgelegten Bahnhöfen wurden wiederverwendet. Das Dach wurde mit ähnlichen Steinplatten eingedeckt wie bei den Bahnhöfen Potsdem Süd (später Potsdam Hauptbahnhof) und Leninallee.  Zum Fahrplanwechsel am 3. Juni 1956 nahm der Bahnhof den Betrieb auf und wurde in den S-Bahn-Tarif aufgenommen [13 (1956, Nr  13)], [31 (270/20/56)].  Im August 1957  war auch das Empfangsgebäude fertiggestellt, das von seinem Äußeren an andere Bahnhofsbauten jener Zeit - so in Potsdam, Dessau oder Merseburg - erinnert [43].


8.3. Baumschulenweg

Im Jahre 1889 entstand die ebenerdige Haltestelle Baumschulenweg, an der damala nur einzelne Personenzüge hielten [14].  Am 1. Mai 1906 konnte dann der hochgelegte Bahnhof Baumschulenweg mit vorerst zwei Bahnsteigen in Betrieb genommen werden. Von den beiden gleichartig ausgestatteten Bahnsteigen mündeten am nördlichen Ende Treppen in eine gemeinsame Empfangshalle unter den Gleisen.

1911 kamen Pläne für eine Trennung der Verkehrsströme in die Richtungen Rixdorf  bzw. Görlitzer Bahnhof / Stadtbahn auf. Für eine entaprechende Vorsortierung wäre in Baumschulenweg ein weiterer Bahnsteig notwendig gewesen  Die Folgen des Auffahrunfalls zweier Züge trugen dazu bei, daß die Fertigstellung eines dritten Bahnsteigs im Jahre 1916 beschleunigt wurde. Aus Platzgründen konnte er nur in Seitenlage mit einer Bahnsteigkante auf der östlichen Bahnböschung errichtet werden.  Der Seitenbahnsteig - im Gegensatz zu den bereits vorhandenen mit einer einstieligen Dachstützenreihe ausgestattet - erhielt ebenfalls einen Zugang von der erweiterten und umgebauten Empfangshalle.

In Baumschulenweg hielten schon vor der Jahrhundertwende keine Fernzüge mehr. Der spätere Bahnsteig an den Ferngleisen diente nur dem Vorortverkehr nach dem Görlitzer Bahnhof. Nach dessen Schließung für den Personenverkehr im Jahre 1951 wurde der Vorortbahnsteig in Baumschulenweg für einige Zeit von Fernzügen benutzt, die aus den südlichen Richtungen über den Berliner Außenring nach Ost-Berlin umgeleitet wurden. Nach Aufgabe dieser Fernzughalte am 28. Mai 1961 lag der Bahnsteig  längere Zeit in einem Dornröschenschlaf [31 (246/21/61)].  1973 wurde der Bahnsteig für den Halt von Sonderzügen zum Jugendfestival in östlicher Richtung provisorisch um 100 m verlängert.  1975 baute man die Bahnsteigverlängerung in dauerhafter Form, nunmehr bis fast an den Britzer Zweigkanal heran. Damit besaß dieser Bahnsteig die ausreichende Länge, um am 29. September 1975 wieder für den Fernverkehr eröffnet werden zu können.

Am 23. Dezember 1983 erhielt der S-Bahnhof eine Fernbeobachtungsanlage, die die Aufsicht auf dem Bahnsteig A (Richtung Plänterwald) entbehrlich macht. Seit September 1984 werden die Züge dort mit Lichtsignalen abgefertigt.
Der Bahnhof Baumschulenweg wurde als einer der ersten Berliner S-Bahnhöfe rekonstruiert. Heute macht die gesamte Anlage trotz ihrer späteren Einstufung als technisches Denkmal schon wieder einen trostlosen, schmutzigen Eindruck.
 
 

 
 

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Text-Teil 7
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 vb Verkehrsgeschichtliche Blätter 4/91, Autor: Dr. Michael Braun, Berlin